+++Interview+++ Die gescheiterte Richterwahl war ein Trauerspiel. Vorläufiger Höhepunkt ist der Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf. Ergebnis: Verbitterung bei der Kandidatin, Wut unter den Genossen, Empörung bei den Grünen und – natürlich – Häme in den Reihen der AfD. Bei jenen, die es verbockt haben, dürfte hingegen die Erleichterung überwiegen, allen voran bei Jens Spahn.
Er hat es – zusammen mit Merz – nicht vermocht, rechtzeitig zu erkennen, dass die Vorbehalte gegenüber Brosius-Gersdorf das Personalpaket gefährden würden. Schlecht. Als Ausweg wurde der Plagiatsverdacht instrumentalisiert. Noch schlechter. Denn damals war es nur ein vorgeschobenes Argument, ohne Rücksicht auf die ehrabschneidenden Wirkungen für die Kandidatin, inklusive akademischer Existenzgefährdung. Und diese Einschätzung gilt auch dann, wenn sich der Vorwurf nun durch die neuerlichen Anschuldigungen vom Plagiatsjäger Weber als hartnäckiger erweisen sollten.
Übrigens: Der Vorwurf an die Union einer Kampagne von ganz rechts außen aufgesessen zu sein, wogegen sich die Abgeordneten von CDU und CSU nun vehement zur Wehr setzen, würde weniger verfangen, wenn man – gerade auch vonseiten der Unionsführung – mit offenen Karten gespielt hätte, und zwar dem Sinn nach: Frauke Brosius-Gersdorf tritt u.a. für eine Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ein. Diese moralpolitische Frage besitzt für uns in der Union hohe Relevanz, weil es das „C“ unserer Überzeugungen berührt. Ihr Modell eines abgestuften Lebensschutzes teilen viele von uns nicht; daher haben eine Reihe von Abgeordneten unserer Fraktionsgemeinschaft ein Problem mit ihrer Kandidatur. Und unsere Führung hat es unterlassen, rechtzeitig einen Diskussionsraum in der Vermittlung zwischen Findungskommission (Auswahl geeigneter Personen) und Fraktion (Zustimmung zum Personalpaket) zu eröffnen.
Nun ist sehr viel Porzellan zerschlagen. Aber die demokratischen Parteien der Mitte sollten sich an das Vorhaben erinnern, und zwar alle, gemeinsam die anstehenden Herausforderungen bei allen Unterschieden in der Sache so angehen zu wollen, dass politische Probleme nachhaltig gelöst werden, um Populismus und Extremismus in Deutschland den Nährboden zu entziehen. Zorn ist kein politisches Programm der Mitte, sondern der Ränder. Also, so schwer es fällt, runter von den Bäumen – so mein Fazit im Gespräch mit Nele Würzbach von Welt TV (hier).