+++Interview+++ Ist die Einstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) überrraschend? Nachvollziehbar? Politisch? Das waren nicht nur die ersten Fragen der Nachricht vom Freitag. Sie beschäftigen auch weiterhin die Öffentlichkeit. Denn es drängt sich nun selbstverständlich die Frage auf, wie man jetzt politisch mit dem Verdikt der Verfassungsfeindlichkeit umgehen soll? Dazu hat mich Marie Droste unmittelbar in Reaktion auf die Meldung und im Anschluss nochmals Katja Losch (beide Welt TV) befragt: Hier das erste und hier das zweite Interview. In short:
Überraschend? Wohl kaum. Es genügt an die Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zu erinnern. Hinzukommen die zahlreichen Verdachtsfälle auch im Westen der Republik.
Nachvollziehbar? Sicher. Die Radikalisierung hat viele Facetten. Am einfachsten lässt sie sich am Begriff der Remigration ablesen. Anfang 2024 wollte die Parteiführung noch nichts davon wissen. Selbst Höcke versuchte, während des Thüringer Landtagswahlkampfes im Fernsehduell mit Voigt noch mit einer hanebüchnen Erklärung durchzukommen. Aber im Bundestagswahlkampf war es vorbei mit dem Versteckspiel. Der Begriff wurde Programm.
Politisch? Schwierig, weil das Thema komplex ist. Dass sowohl Arbeitsweise als auch Entscheidungskriterien des Verfassungsschutzes typischerweise andere sind als etwa im Bauamt, dürfte auf der Hand liegen. Vielleicht kann man grundsätzlich festhalten: Je weniger staatliche Entscheidungen durch Rechtskriterien vorgegeben sind, desto größer ist deren politische Gehalt. In diesem Sinne lässt sich eine Entscheidung wie jene des BfV schwerlich als Ausdruck reinen Verwaltungshandelns beschreiben. Sie ist politisch – darf dabei aber die Grenze zur Parteipolitik nicht überschreiten. Wie gesagt, schwierig und zudem fehleranfällig. Deswegen bedarf es rechtsstaatlicher Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung. Hinzukommt die kritische Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit. Wie erinnerlich, sorgte etwa das Kriterium der Delegitimierung des Staates beim BfV für Kritik – und die Diskussion dauert an.
Im vorliegenden Fall wird sich die Öffentlichkeit ebenfalls ein Bild machen. Denn der Diskurs dreht sich unaufhaltsam um die Frage Verbot oder Verbleib der AfD im deutschen Parteiensystem. Dafür braucht es Aufklärung. Die staatlichen Akteure werden dafür – vermutlich stärker als bisher – einen Ausgleich zwischen Quellenschutz und Entscheidungstransparenz finden müssen.